Unser Mitarbeiter im Porträt
Endlich angekommen
Im Jahr 2016 verzeichnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt 745.545 Asylanträge in Deutschland. Einen davon stellte unser Mitarbeiter Kasim Alabed, dessen Geschichte wir hier erzählen.
Kasim wurde 1996 in der syrischen Hauptstadt Damaskus geboren und wuchs dort auf. Die Familie Alabed war recht wohlhabend und besaß etwas Land und ein Haus. Kasim arbeitete hauptberuflich in einer Firma, die Shishas – Wasserpfeifen arabischen Ursprungs - produzierte. Zu Beginn des syrischen Bürgerkrieges im Jahre 2011 war Kasim 17 Jahre alt.
Wenn Heimat zum Alptraum wird
Ab diesem Zeitpunkt lebten Kasim und seine Familie in ständiger Angst, auch weil alle männlichen Syrer ab einem Alter von 18 Jahren zu einem 24-monatigen Wehrdienst verpflichtet sind. Die Flucht vor dem Militärdienst war deshalb für viele der einzige Ausweg. So auch für Kasim. Zwei Monate versteckte er sich zunächst in seiner Heimatstadt Damaskus vor der Polizei. Die ständige Angst, entdeckt zu werden, trieb ihn letztendlich zu dem Entschluss, sein Heimatland und seine Familie hinter sich zu lassen. Im Juli 2013 machte er sich deshalb zu Fuß auf die Flucht nach Europa.
4.100 km in eine ungewisse Zukunft
Sein erstes Ziel war die Stadt Izmir in der Türkei. Dort lebte Kasim zunächst in einem der Flüchtlingscamps, doch der Ansturm auf diese Unterkünfte war groß und die Zelte überfüllt. Daher hauste er in einem selbstgebauten Zelt, bestehend aus seiner eigenen Kleidung.
Einige Monate verbrachte Kasim in diesem Camp, nahm Jobs als Stahlarbeiter und Erntehelfer an, um Geld für seine weitere Flucht zu verdienen. Im Oktober 2014 setzte Kasim mit weiteren Geflüchteten in einem Schlauchboot nach Griechenland über. Die Fahrt dauerte etwa zwei Stunden. Auf dem Festland erhielt Kasim jedoch nur eine Aufenthaltsgenehmigung für eine Woche. Daher setzte er seine Flucht über Mazedonien nach Serbien fort.
16 Tage war Kasim mit einer kleinen Gruppe weiterer Geflüchteter unterwegs: Zusammen war der Weg weniger gefährlich. Sich tagsüber fortzubewegen oder gar Lebensmittel in einem Laden zu kaufen, barg allerdings ein enormes Risiko, von den Behörden entdeckt zu werden. In diesem Fall hätte man die Geflüchteten zurück nach Griechenland geschickt, wo sie den beschwerlichen Fußmarsch erneut hätten antreten müssen. „Wir waren vor allem nachts unterwegs und haben uns hauptsächlich von Süßigkeiten ernährt. Einmal haben wir auch vier Tage gar nichts gegessen“, erinnert sich Kasim Alabed.
An der Grenze von Mazedonien nach Serbien mussten Kasim und seine Gruppe ganze zehn Tage lang ausharren. Die Mafia vor Ort erschwerte ihnen die Durchreise und verlangte eine hohe Geldsumme im Gegenzug für die Passage der Grenze. Doch weder Kasim noch einer seiner Begleiter hatten genug Geld bei sich. Nach langer Wartezeit wurde ihre Geduld belohnt. Sie schafften es eines Nachts unbemerkt über die Grenze und setzen ihre Flucht in Richtung Ungarn fort.
Auch die ungarische Grenze wurde von den dortigen Behörden streng bewacht. Die Gruppe hielt sich deshalb mehrere Tage lang versteckt und beobachtete die Situation aus einiger Entfernung. In einem Moment trügerischer Sicherheit durchquerten Kasim und seine Begleiter den Fluss, der die Grenze markiert. Doch kaum hatte die Gruppe ungarischen Boden unter ihren Füßen, zeigten sich die versteckten Grenzkontrollen und nahmen die Gruppe fest. Den Geflüchteten blieben nun zwei Möglichkeiten: Sich entweder über den Fingerabdruck als Geflüchteter in Ungarn registrieren lassen oder zurück nach Serbien gehen.
Bleiben oder gehen?
Zurückgehen war für Kasim keine Option, aber auch vorm Bleiben hatte er große Angst. Grund dafür war das Dublin-Abkommen, das die Prüfung eines Asylantrags regelt. Demnach ist immer der EU-Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, in den eine geflüchtete Person zuerst eingereist ist. In Kasims Fall war das Ungarn, somit hätte er im Verlauf seiner weiteren Flucht jederzeit dahin zurückgeschickt werden können.
Deshalb fasste er einen neuen Plan: Er möchte nach Deutschland! Dort, so hat er gehört, ließe sich sein Fingerabdruck wieder löschen. Kasim verwarf seinen ursprünglichen Plan, nach Schweden zu fliehen und entschied sich dafür, vorerst seinen Fingerabdruck abzugeben.
Von der ungarischen Grenze machten sich Kasim und seine Gruppe auf nach Budapest. Fürs erste in Sicherheit standen dort erst einmal die Grundbedürfnisse im Vordergrund: Essen, ausruhen, schlafen. Im Anschluss teilten sie sich zu viert ein Taxi, das sie für etwa 500€ über die Grenze nach Deutschland brachte. Von einem kleinen Dorf nahe der Grenze aus starteten sie mit dem Zug in Richtung München. Die Ankunft dort ist der 28. Mai 2015.
Den restlichen Tag verbrachte Kasim in der Stadt. Weil er wusste, dass auch in Deutschland nachts weniger Polizei auf den Straßen unterwegs ist, wollte er seine Weiterreise erst nach Anbruch der Dunkelheit fortsetzen. Trotz aller Vorsicht geriet Kasim in die nächste Kontrolle: Die Polizei hält den Bus an, den er für seine Weiterreise auswählte und brachte ihn anschließend auf die Polizeiwache.
Auf das Gespräch mit der Polizei folgte ein zweiwöchiger Aufenthalt im Asylheim in Zirndorf bei Nürnberg, bevor Kasim ins Asylheim nach Erlangen gebracht wurde. Dort lebte er knapp drei Monate zusammen mit anderen Geflüchteten in einer Wohnung. „Wir waren dort 22 Personen, immer zwei schliefen zusammen in einem Zimmer“, erinnert sich Kasim.
Nach acht Monaten in Deutschland erhielt Kasim seinen Ausweis und seinen Pass. Mit der Unterstützung von Helfern fand er schnell eine eigene Wohnung. Er absolvierte einen Sprachkurs, lernte über einen Zeitraum von acht Monaten an drei Tagen in der Woche deutsch, brach den Kurs aber schließlich ab. Stattdessen wollte er arbeiten und Geld verdienen und fand eine Stelle bei einem Fast-Food-Restaurant. Das verdiente Geld sparte er und schickte es seinem Bruder in Syrien.
Mittlerweile ist nicht nur Kasim die Flucht nach Deutschland geglückt, sondern auch seiner Schwester, ihrem Mann und deren Familie.
Endlich angekommen
Durch einen Freund, der bereits bei Fürst arbeitete, kam Kasim zu uns. Seit nunmehr fünf Jahren arbeitet Kasim als Gebäudereiniger in unserer Niederlassung in Bamberg, wohnt in einer schönen Bamberger Gegend und konnte sich durch sein Gehalt seinen großen Traum, einen eigenen Audi A5, ermöglichen.
Christian Gebicke, der Leiter unserer Niederlassung in Bamberg, ist froh über die Zusammenarbeit mit Kasim. Neben ihm arbeiten noch viele weitere Geflüchtete unter seiner Leitung. „Wir sind hier alle Partner,“ beschreibt Christian Gebicke die Atmosphäre im Team. „Es herrscht ein großer Zusammenhalt untereinander und nach getaner Arbeit trinken wir auch gern mal alle zusammen ein Feierabendbier!“
Foto: Kasim Alabed (l.) und Christian Gebicke, Leiter Niederlassung Bamberg