31.07.2020

Reportage Reinigungskräfte

 

Reine Magie

Man hört sie kaum, man sieht sie kaum. Allerdings bemerkt man sehr schnell, wenn sie einmal nicht da waren: Reinigungskräfte. Wie arbeiten diese heimlichen Helden? Um der Antwort näher zu kommen, begleiten wir einen Tag lang Reinigungskraft Mohammed bei seiner täglichen Arbeit.

Auf dem Display von Mohammeds Smartphone leuchtet eine Zahl. 4.20 Uhr. „Zu dieser Zeit stehe ich jeden Morgen auf. Das reicht genau, bis ich in die Bahn einsteigen muss“, erklärt Mohammed. Mit einem Becher voll dampfendem schwarzen Kaffee sitzt er in „Haus 27“, der Fürst-Zentrale des Objekts, das er seit über 16 Jahren täglich reinigt. Ein sehr großes Objekt mit mehreren Gebäuden und komplexen Reinigungsanforderungen. Denn hier wird, unter anderem für das Militär, Präzisionsmunition produziert.
In einer Ecke wäscht eine Waschmaschine eine Ladung Nasswischbezüge. Der Raum ist erfüllt vom Duft des Waschmittels. Man sieht es Mohammed überhaupt nicht an, dass er bereits seit fast zwei Stunden auf den Beinen ist. 
Seit 2003 arbeitet der 61-jährige dreifache Vater nun in diesem Objekt als Reinigungskraft. Montag bis Freitag macht er seine Tour durch Flure, Sanitärräume und Büros. Wie schafft man es, jeden Tag um diese Zeit aufzustehen? „Gewohnheit“, antwortet Mohammed schulterzuckend. „Leider wache ich auch am Wochenende um diese Zeit auf. Das ist nach der langen Zeit einfach so drin.“ 

Arbeiten wenn andere noch schlafen

Für gewöhnlich kommt Mohammed gegen 5.30 Uhr im Objekt an, versorgt sich selbst mit seinem Reinigungsequipment und beginnt mit seiner Arbeit. 
Heute allerdings ist ein besonderer Tag: Wegen unseres Interviews fängt Mohammed etwas später an. Damit seine Arbeit trotzdem in der gewohnten Zeit erledigt wird, bekommt er Unterstützung von einem seiner Kollegen.
Der Kaffee ist ausgetrunken und Mohammed macht sich auf den Weg zu seiner ersten Station. Er arbeitet nach einem individuellen Revierplan, den Objektleiterin und seine Vorgesetzte Ivana Färber für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem zwölfköpfigen Team festlegt. Weil die Gebäude seines Reviers teilweise weit auseinander liegen, nutzt Mohammed für die Wege ein Fahrrad. Und trotzdem legt er während einer Schicht etwa 12.000 Schritte zurück. „Das hält mich fit“, sagt Mohammed dazu nur.
Seine erste Station ist ein Gebäude, in dem Schießpulver getestet wird. Elektronische Geräte sind deshalb dort nicht erlaubt. Der Geruch des Schießpulvers ist allgegenwärtig. 
An einer Treppe hängt ein Hinweisschild „Handlauf benutzen“. Die Stufen sind wirklich sehr rutschig, das liegt am Öl der Munition, wie Mohammed erklärt.
Oben angekommen macht er sich daran, den Boden des Pausenraums zu wischen. Das geschieht per Hand mit einem großen Flachmopp. „Manche Räume sind zu klein und eignen sich nicht für die Reinigung mit einer Maschine“, weiß Mohammed.

Im Anschluss sind die Sanitärräume an der Reihe. Er arbeitet schnell, aber nicht hektisch. Die Abläufe sind systematisch und routiniert. Jeder Handgriff sitzt. „Hier genieße ich es vor allem, dass ich bei meiner Arbeit ganz für mich sein kann,“ sagt Mohammed. Zuerst müssen die Handtrocknungstücher überprüft und nachgefüllt werden, genau wie die Handseife. In jeder Kabine hinterlegt Mohammed außerdem einen kleinen Vorrat an Toilettenpapier. „Man geht automatisch davon aus, dass solche Sachen immer da sind. Deshalb fällt es sofort auf, wenn es mal fehlt. Gerade in einem Betrieb, in dem rund um die Uhr gearbeitet wird“, weiß Mohammed. 
Der ganztägige Drei-Schicht-Betrieb im Objekt macht Mohammeds Arbeit nicht einfacher. „Manchmal reinige ich die Tür einer Toilette und zwei Minuten später benutzt sie ein Mitarbeiter, dessen Hände voller Öl sind. Das gehört aber dazu“, sagt Mohammed achselzuckend. 
Insgesamt 43 Toiletten reinigt er innerhalb seiner Schicht. Pro Toilette braucht er dabei nur wenige Minuten. Was erstaunlich ist bei der Menge an Arbeitsschritten. Mohammed erklärt das System: „Zuerst wird die Spülung betätigt, dann fülle ich den Sanitärreiniger ein und lasse ihn einige Minuten einwirken. In der Zwischenzeit reinige ich unter anderem Spiegel, Ablagen und Armaturen. Danach werden Spülkasten und WC-Deckel gereinigt. Im Anschluss reinige ich die Unterseite des WC-Deckels sowie die WC-Brille, erst von oben, dann von unten. Dann wird das WC noch von unten abgewischt. Zum Schluss wische ich den Boden.“ Und ganz wichtig: Bei jeder Sanitärreinigung, wenn möglich, zuerst die Fenster öffnen, damit gut gelüftet wird. 

Reinigung mit System

Das nächste Gebäude ist an der Reihe. In jedem Gebäude steht ein komplett bestückter Reinigungswagen mit Ausrüstung und Reinigungsmitteln bereit. Handschuhe sind bei der Arbeit Pflicht. Aus hygienischen Gründen, natürlich, aber auch um die eigenen Hände vor Kontakt mit Wasser und Reinigungsmitteln zu schützen, wie Mohammed erklärt. Glücklicherweise nutzt er für seine Arbeit aber ausschließlich umweltfreundliche Reinigungsmittel. 
Auf jedem Reinigungswagen gibt es zwei verschiedene Behälter, einen für sauberes und einen für Schmutzwasser. Während Mohammed kaltes Wasser in einen Behälter einlaufen lässt, leert er den Müll und setzt einen neuen Müllsack ein. Danach nimmt er sich Waschbecken und Spiegel vor. Oberflächen und Fensterbretter werden abgewischt. Für die verschiedenen Bereiche gibt es ein Vier-Farb-System bei Reinigungstüchern: Blau steht für Ausstattungs- und Einrichtungsgegenstände wie Schreibtische oder Stühle. Rot ist für WC-Becken, Urinale und die Fliesen im angrenzenden Bereich. Mit einem gelben Tuch reinigt man den restlichen Sanitärbereich beziehungsweise Sanitäre Einrichtungen wie Waschbecken, Armaturen oder auch Duschen. Und grüne Tücher werden für besondere Zwecke eingesetzt, wie beispielsweise Oberflächen im Küchenbereich. Zum Schluss ist der Boden dran. 
Immer, wenn Mohammed mit einem Raum fertig ist, entsorgt er das Abwasser in speziell dafür vorgesehenen Containern vor dem jeweiligen Gebäude. „Für gewöhnlich wird dieses Wasser zur Wiederverwendung aufbereitet. Wenn ich aber Böden reinige, die mit Öl oder Pulver der Munition verunreinigt sind, muss dieses Wasser entsprechend anders aufbereitet werden,“ erklärt Mohammed. Dabei deutet er auf einen separaten Container. 

Weite Flure und besetzte Labore

Dann steht ein Gebäude mit verschiedenen Büroräumen an, darunter viele Labore. 
Auch das ist eine Herausforderung: „Ich mache dort sauber, während an den Schreibtischen ganz normal weitergearbeitet wird. Da muss ich mich ein wenig beeilen und auch recht leise sein, um die anderen nicht bei ihrer Arbeit zu stören,“ erzählt Mohammed. 
Eine Mitarbeiterin aus dem Sekretariat der Probenannahme erzählt: „Eigentlich dürfte Mohammed gar nicht mehr in den Urlaub gehen. Man merkt direkt, wenn er mal nicht da ist.“
Faszinierend ist, dass sich Mohammed und sein Kollege bei der Arbeit kaum abstimmen müssen. Beide wissen genau, was sie zu tun haben. Die Arbeit erfolgt systematisch und die beiden Kollegen ergänzen sich gegenseitig. „Irgendwann entwickelt man einfach eine gewisse Routine“, winkt Mohammed ab. In diesem Gebäude sind es vor allem die Details, die die Arbeit als Reinigungskraft so anspruchsvoll machen: In den Büros gibt es viele verschiedene Kabel und technische Geräte, auf den Fluren warten Feuerlöscher, Türklinken und Schwarze Bretter auf ihre Reinigung. Mohammed pfeift beschwingt, als er im Hinabsteigen schwungvoll den Handlauf einer Wendeltreppe reinigt.
Es folgt ein Zwischenstopp in der Zentrale von Fürst innerhalb des Objekts, das kleine Gebäude, in dem wir unseren Tag begonnen haben. Für die nächsten Arbeitsschritte werden noch einige frische Bodenreinigungstücher benötigt. In dem kleinen Haus treffen wir auf weitere Reinigungskräfte aus Mohammeds Team. Ein Kollege versorgt sich selbst ebenfalls mit einer Ladung sauberer Reinigungstücher, eine Kollegin hängt gerade eine Maschine frisch gewaschener Tücher auf einen Wäscheständer. Man nickt sich kurz zu zur Begrüßung, wechselt ein paar Worte. Viel gesprochen wird allerdings nicht. Immerhin dauert die Schicht schon etwa vier Stunden und ein Anflug von Müdigkeit macht sich auf den Gesichtern breit. Jeder genießt es, für einen kurzen Moment für sich zu sein, bevor es weiter geht zur nächsten Station.
In Mohammeds Fall ist das ein Pausenraum in einem Bürogebäude. Zwischen 9.30 Uhr und 10 Uhr findet täglich die gemeinsame Pause statt, weshalb in dieser Zeit nicht gereinigt werden kann. „Auch sowas bestimmt meinen Tagesablauf mit, da muss ich mich anpassen,“ sagt Mohammed. Deshalb ist kurz Zeit, sich selbst mit an den großen Tisch zu setzen und sich mit einem heißen Becher Kaffee zu stärken. Mohammed grüßt kurz in die Runde, ansonsten wird nicht viel geredet. Die Männer, die hier ihr deftiges Frühstück verschlingen, müssen gleich weiterarbeiten. Auch Mohammed macht sich sofort wieder an die Arbeit, sobald alle den Pausenraum verlassen haben.

Die Chemie muss stimmen

Hier ist PVC verlegt, deshalb wird nass gewischt. Die exakte Dosierung des Reinigungsmittels ist überaus wichtig, Mohammed beherrscht sie im Schlaf. „Gerade bei Böden ist es wichtig, das richtige Reinigungsmittel zu verwenden, sonst kommt es zu Mängeln oder sogar zu Reinigungsschäden,“ erklärt Mohammed. Das kann mitunter richtig teuer werden. „Außerdem muss man auch auf die Feuchtigkeit des Lappens achten, manche Böden saugen sich sonst womöglich voll.“

Das große Labor, das Mohammed ansonsten noch reinigt, besichtigen wir heute nur kurz. Da dort mit einer Vielzahl an Gefahrenstoffen gearbeitet wird, ist eine spezielle Schutzbrille auch beim Reinigen Pflicht. Selbstverständlich führt die Fürst Gruppe in jedem neuen Kundenobjekt vorab eine Gefährdungsbeurteilung durch, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. Das Reinigen eines solchen Labors klingt nach einer echten Herausforderung! Mohammed grinst nur und zwinkert: „Mir ist dabei noch nie etwas passiert, ich habe mich noch nie bei der Arbeit verletzt."

Reinigungstipps vom Profi

Mohammeds nächste Station ist ein reines Bürogebäude, in dem unter anderem die Buchhaltung sitzt. Dort trifft er einige Damen in der Kaffeeküche, die sich sehr über seine Gesellschaft freuen und ein kleines Schwätzchen mit ihm halten, während Mohammed schon seine Reinigungsutensilien vorbereitet.
Die Küche selbst wird hier gereinigt, genauso wie die Toiletten in dem Gebäude. Allein beim Zusehen kann man noch jede Menge lernen. Beispielsweise, warum Mohammed hier die Böden nach der Reinigung direkt trockenwischt: „Erstens kann so niemand auf den nassen Böden ausrutschen. Und zweitens sind Flecken, die auf nassem Untergrund entstehen, also beispielsweise Schuhabdrücke, sehr hartnäckig. Da muss ich sonst morgen doppelt gründlich sein“, grinst er.
Dann geht es für Mohammed in die wohlverdiente Mittagspause. Sein Essen hat er selbst mitgebracht. Es gibt einen frischen Salat aus Rucola, Tomaten, Gurken, Kiwi und Zitrone. Dazu Heringsfilets und zwei Brötchen. Mohammed achtet sehr darauf, sich gesund zu ernähren. „Man braucht etwas Gesundes und Nahrhaftes, das einem die nötige Energie für die tägliche Arbeit gibt.“

Endspurt

Die Verschnaufpause hat gut getan. Mit neuem Schwung macht sich Mohammed erneut zu dem Gebäude auf, in dem er seinen Arbeitstag begonnen hat. Jetzt sind allerdings die Büroräume, einige weitere Sanitärräume und ein Aufenthaltsraum im unteren Stock an der Reihe. Und hier kommt nun auch eine Reinigungsmaschine zum Einsatz. Dabei handelt es sich um einen I-Mop. Diese Maschine erinnert von der Form her ein wenig an einen Staubsauger. Es gibt zwei Griffe zum Steuern und zwei gleich große Behälter auf der Rückseite, einen für sauberes Wasser und einen für Schmutzwasser. Der I-Mop saugt nämlich das Abwasser direkt bei der Reinigung wieder auf und lässt nichts zurück. Außerdem verfügt die Maschine über verschiedene Reinigungsaufsätze für den Boden. „Die Bürsten lösen hartnäckigere Verschmutzungen, auch in Fugen und Ritzen, an die man sonst schwer herankommt“ erklärt Mohammed. Trotzdem gibt es auch hier einiges zu beachten. „Wirklich groben Schmutz muss ich vorher per Hand vom Boden aufnehmen, die Sauglippen verursachen sonst Streifen und die Leitungen können verstopfen.“.
Die Sanitärräume, Duschen und auch der Aufenthaltsraum sind leer, hier kann Mohammed ungestört seine Arbeit verrichten. Auch nach vielen Stunden anstrengender Arbeit ist er bei jedem Handgriff sehr konzentriert und findet sogar Zeit, die einzelnen Arbeitsschritte zu erklären. 
In den Büroräumen dagegen herrscht noch reger Betrieb. Aber alle freuen sich über Mohammeds Anwesenheit. „Den Unterschied sieht man später direkt,“ sagt eine Mitarbeiterin dankbar. Mohammed reinigt die Büros in Windeseile. Mit der Reinigungsmaschine geht das fast mühelos. Sie lässt sich in aufrechter Körperhaltung bedienen und durch ein drehbares Gelenk angenehm steuern. Durch diese Beweglichkeit ist auch die Reinigung in schwer zugänglichen Zimmerecken und beispielsweise unter Treppen überhaupt kein Problem. 
Zum Schluss entsorgt Mohammed das Abwasser aus dem einen Behälter des I-Mop. Es hat die Farbe von Cola. Kein Wunder bei dem vielen Pulver auf den Böden. „Wirklich unglaublich, wie viel Schmutz sich innerhalb eines Tages ansammeln kann, oder?“ lacht Mohammed.
Er wischt sich den Schweiß von der Stirn, sieht etwas müde aus, aber seine Augen funkeln. 
Wieder ein gutes Stück Arbeit geschafft!
„Viele junge Menschen wollen heute gar nicht Gebäudereiniger werden, weil ihnen die körperliche Arbeit zu schwer ist. Es ist auch anstrengend, aber ich bin wirklich stolz, dass ich das mit meinen 61 Jahren trotzdem schaffe. Jeden Tag!“ 
Darüber hinaus hat Mohammed weitere Gründe, warum er seine Arbeit so gerne macht. „Es sind die Menschen. Seit ich hier arbeite, habe ich noch nie einen schlechten Menschen getroffen,“ erzählt er. Seiner Meinung nach ist das mit das Wichtigste, ein gutes Verhältnis zu seinem Team. Und auch zu seiner Vorgesetzten. Während Mohammeds Schicht rief Ivana Färber häufiger an. Um zu hören, wo er gerade ist und ob alles nach Plan läuft. Mohammed beschreibt sie selbst als verständnisvoll und als große Unterstützung: „Sie hilft immer, wo sie kann. Nicht nur bei der Arbeit, auch im Privaten.“

Feierabend?

Gegen 15 Uhr ist Mohammeds Schicht zu Ende. Jetzt genießt er doch aber sicher seinen wohlverdienten Feierabend? Nicht, wenn zu Hause noch etwas zu tun ist: „Alle Leute, die mich besuchen, sagen mir immer: „Mohammed, bei dir ist es so sauber! Wie machst du das?“ Tja, ich mag es eben gern sauber und bin deshalb auch in meinem Zuhause sehr gründlich.“

Sauberkeit ist eben nicht einfach nur ein Job, es ist eine Lebenseinstellung.


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